Am 19.12.2017 entschied der erste Senat des Bundesverfassungsgericht richtungsweisend, wie in Zukunft zum Medizinstudium zugelassen werden soll. Das Urteil ist hier im Volltext einsehbar. Bis einschließlich dem WS 2019/2020 bleibt alles beim alten, danach wird wohl die Wartezeit abgeschafft und die Einschränkung auf wenige Studienortbewerbungen abgeschafft.
Das Urteil beschäftigt sich ausschließlich mit den Mechanismen der Vergabe der wenigen vorhandenen Studienplätze an die vielfach größere Bewerberanzahl. Eine Schaffung von zusätzlichen Ausbildungskapazitäten wird durch die Entscheidung nicht veranlasst und ist angesichts der hohen Kosten der Medizinerausbildung auch in Zukunft nicht zu erwarten.
Unbeanstandet lässt das Gericht die bisher geübte Vorabvergabe von 30 Prozent der Studienplätze an bevorzugte Bewerbergruppen wie Härtefälle, Ausländer und Zweitstudienbewerber. Ebenso wird die Vergabe von 20 Prozent der Plätze ausschließlich nach der Abiturnote für statthaft befunden, wobei sich die Beschränkung auf maximal sechs Ortswünsche als unzulässig erweist.
Erhebliche Veränderungen wird die Entscheidung für das Auswahlverfahren der Hochschulen bringen. Hier darf ein Teil der Studienplätze ausschließlich nach der Abiturnote vergeben werden, wobei zukünftig Landesquoten gebildet werden sollen. Ein Teil der Studienplätze ist in Zukunft nach mindestens einem weiteren abiturnotenunabhängigen Eignungskriterium zu vergeben, was eine stärkere Verlagerung in Richtung fachspezifischer Studierfähigkeitstests erwarten lässt. Angesichts der angemahnten hohen Regelungsdichte (mit entsprechender Fehleranfälligkeit) dürften die ersten Studienplatzanwälte, deren Geschäft angesichts der hochschulfreundlichen Gerichtsentscheidungen in den vergangenen Jahren gelitten hat, schon die Messer wetzen. Viele Fälle wird dies nicht betreffen.
Am Ende der Entscheidung findet sich “echter Sprengstoff”: Das Gericht diskutiert nicht etwa, ob die Chancengleichheit eine breitere Berücksichtigung auch von Bewerbern mit schlechteren Abiturnoten gebietet. Ganz im Gegenteil wird ausgeführt, dass der Anteil von 20 Prozent für Wartezeitkandidaten “nicht erhöht” werden darf. Mehr noch: Eine Wartezeitquote ist schon vom Ansatz her “verfassungsrechtlich nicht geboten” und wird als gänzlich verzichtbar bezeichnet: “Nicht jeder hochschulreife Bewerber muss den Anspruch auf Zulassung zum Studium im Ergebnis tatsächlich realisieren können.” Wenn der Gesetzgeber, was möglich ist, eine Wartezeitquote einführt, ist er jedenfalls verpflichtet, die Wartezeit auf ein zumutbares Maß zu beschränken. Vier Jahre werden als statthaft bezeichnet, acht Jahre jedenfalls als zu viel.
Die Kommentierung unseres Geschäftsführers zum Urteil im Volltext ist hier bei Xing Klartext nachlesbar. Inzwische wurde ferner gegen die Abschaffung der Wartezeit geklagt. Nach Auffassung von Rechtsanwältin Dr. Mascha Franzen sind solche Klagen nicht zu empfehlen. Ihre Kommentierung ist auf anwalt.de einsehbar.