Medizinstudium in Deutschland

Das Medizinstudium in Deutschland zählt zu den renommiertesten, schwierigsten und zugleich beliebtesten Studiengängen. Wer die Herausforderung annimmt und das Studium erfolgreich absolviert, hat die Chance auf eine vielversprechende Karriere als Arzt. Dieser Artikel liefert Ihnen alle relevanten Informationen zu den Voraussetzungen, Zulassungsbeschränkungen wie dem Numerus Clausus (NC), zusätzlichen Auswahlkriterien wie dem Test für Medizinische Studiengänge (TMS), oder dem HamNat, dem Studienaufbau sowie den Berufsperspektiven nach dem Abschluss.
Voraussetzungen für das Medizinstudium in Deutschland
Das Medizinstudium gehört zu den anspruchsvollsten Studiengängen in Deutschland und erfordert eine solide akademische Basis. Die allgemeine Hochschulreife (Abitur) ist die grundsätzliche Voraussetzung für die Zulassung, darüber hinaus gibt es gleichwohl auch (in der Praxis eher unwahrscheinliche) Möglichkeiten zum Medizinstudium ohne Abitur.
Numerus Clausus und das zentrale Vergabeverfahren
Aufgrund der hohen Bewerberzahlen ist das Studium der Humanmedizin an staatlichen Universitäten bundesweit zulassungsbeschränkt. Die Studienplätze werden zentral über das Zentrale Vergabeverfahren der Stiftung für Hochschulzulassung (=Hochschulstart) vergeben. Das Vergabeverfahren teilt sich in drei Hauptquoten auf:
Abiturbestenquote (30 % der Studienplätze)
- Hier werden die besten Abiturienten eines jeden Bundeslandes bevorzugt, wobei die erreichten Punktzahlen aus dem Abitur herangezogen werden. Die Landeslisten der Abiturienten werden zu einer Bundesliste zusammengeführt, über die die Studienplätze vergeben werden.
- Zusätzliche Eignungsquote (ZEQ, 10 % der Studienplätze): Diese Quote berücksichtigt ausschließlich schulnotenunabhängige Kriterien, wie beispielsweise Berufsausbildungen oder das Ergebnis fachspezifischer Studieneignungstests wie dem TMS (Test für Medizinische Studiengänge).
- Auswahlverfahren der Hochschulen (AdH, 60 % der Studienplätze): Die Hochschulen legen eigene Kriterien für die Vergabe der Studienplätze fest. Dabei werden mindestens zwei notenunabhängige Kriterien, wie der TMS oder Interviews, berücksichtigt.
Eignungstests und weitere Kriterien
Neben der Abiturnote spielen in vielen Fällen zusätzliche Auswahlkriterien eine entscheidende Rolle. Dazu gehört der Test für medizinische Studiengänge, der an vielen Universitäten eine Möglichkeit zur Verbesserung der Zulassungschancen darstellt. Der TMS prüft unter anderem kognitive Fähigkeiten, die für das Studium der Medizin von Bedeutung sind, und kann das Zulassungsergebnis deutlich verbessern.
Berufsausbildungen im medizinischen Bereich, wie beispielsweise die Ausbildung zum Rettungssanitäter oder eine Ausbildung in Erster Hilfe, können ebenfalls berücksichtigt werden und die Chancen auf einen Studienplatz erhöhen. Zudem fließen ehrenamtliche Tätigkeiten und Preise aus naturwissenschaftlichen Wettbewerben in die Bewertung ein.
Auswahlgrenzen Medizinstudium zum Wintersemester 2023/2024
Die Auswahlgrenzen aus dem WS 2023/2024 können bei Hochschulstart eingesehen werden. Exemplarisch hier für die Universitäten in Leipzig und Dresden die Ergebnisse des Auswahlverfahrens.
1. Universität Leipzig
Man brauchte in der Abiturbestenquote je nach Bundesland des Abitureerwerbs zwischen 827 Punkten (Schleswig-Holstein) und 862 Punkten (Saarland), beides entspricht einer Durchschnittsnote von 1,0.
Im Auswahlverfahren der Hochschulen (AdH) lag die Auswahlgrenze bei 57,5 Punkten. Die Punkteverteilung war:
- Abiturleistung: Maximal 60 Punkte
- TMS (Test für Medizinische Studiengänge): Maximal 30 Punkte
- Berufsausbildung oder anerkannter Dienst: Maximal 10 Punkte.
In der Zusätzlichen Eignungsquote (ZEQ) lag die Grenze bei 69 Punkten, aufgeteilt in:
- Abiturleistung: Maximal 40 Punkte
- TMS: Maximal 10 Punkte
- Berufsausbildung: Maximal 50 Punkte.
2. Technische Universität Dresden
Hier brauchte man je nach Bundesland zwischen 809 Punkten (Schleswig-Holstein) und 836 Punkten (Hessen) im Abitur, beides entspricht einer Durchschnittsnote von 1,0.
Im Auswahlverfahren der Hochschulen (AdH) lag die Auswahlgrenze bei 53,9 Punkten. Die Punkteverteilung war:
- Abiturleistung: Maximal 60 Punkte
- TMS: Maximal 30 Punkte
- Berufsausbildung oder anerkannter Dienst: Maximal 10 Punkte.
In der Zusätzlichen Eignungsquote (ZEQ) lag die Mindestpunktzahl bei 82,3 Punkten, aufgeteilt in:
- Abiturleistung: Maximal 40 Punkte
- TMS: Maximal 10 Punkte
- Berufsausbildung: Maximal 50 Punkte.
Medizinstudium an staatlichen vs privaten Hochschulen
Das Bewerbungsverfahren für Medizinstudieninteressierte an privaten Hochschulen unterscheidet sich von dem an staatlichen Hochschulen. Die Auswahl der Bewerbenden an privaten Universitäten erfolgt in der Regel über hochschulinterne Auswahlverfahren. Staatliche Universitäten begrenzen ihre Studienplätze durch einen NC. In diesen beiden Artikeln können Sie nachlesen, worauf sich Bewerbende an privaten und staatlichen Hochschulen einstellen müssen:
Medizinstudium an Privatuniversitäten in Deutschland bzw. Medizinstudium an staatlichen Universitäten in Deutschland.
Der Aufbau des Medizinstudiums in Deutschland
Das Studium der Medizin ist bundesweit durch die Approbationsordnung für Ärzte geregelt und dauert insgesamt 12 Semester und 3 Monate. Im Regelstudiengang gliedert es sich in zwei Hauptabschnitte: den vorklinischen und den klinischen Teil, die durch praktische Erfahrungen ergänzt werden.
Vorklinischer Teil (1. bis 4. Semester)
Im vorklinischen Abschnitt stehen die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Medizin im Fokus. Studierende erwerben hier fundierte Kenntnisse in Fächern wie Physik, Chemie, Biologie, Anatomie und Physiologie. Diese werden durch praktische Übungen und Seminare ergänzt, um ein grundlegendes Verständnis der Funktionsweise des menschlichen Körpers zu erlangen.
Darüber hinaus müssen angehende Mediziner ein Krankenpflegepraktikum von insgesamt 90 Tagen absolvieren, das häufig bereits vor Studienbeginn geleistet wird.
Klinischer Teil (5. bis 12. Semester)
Der klinische Abschnitt des Medizinstudiums widmet sich der praktischen Anwendung der im vorklinischen Teil erworbenen Kenntnisse. Studierende durchlaufen Module in Fächern wie Innere Medizin, Chirurgie, Neurologie, Psychiatrie und vielen weiteren Disziplinen. Diese werden durch praktische Übungen und patientenorientierte Fallbesprechungen vertieft.
Im klinischen Teil spielt die Famulatur eine wichtige Rolle. Diese umfasst insgesamt vier Monate, in denen Studierende praktische Erfahrungen in Krankenhäusern und Arztpraxen sammeln. Die Famulatur gliedert sich in eine ambulante Phase, zwei Monate im Krankenhaus und einen Monat in einer hausärztlichen Praxis.
Das Praktische Jahr (PJ)
Das Praktische Jahr (PJ) bildet den Abschluss des Medizinstudiums und dauert 48 Wochen. Es ist in drei Tertiale unterteilt, wobei die Fächer Innere Medizin und Chirurgie verpflichtend sind. Im dritten Tertial können die Studierenden eine Wahlfachrichtung festlegen. Während des PJ arbeiten die Studierenden direkt mit Patienten und wenden ihr erworbenes Wissen unter Anleitung erfahrener Ärzte praktisch an.
Regelstudiengang vs Modellstudiengang Humanmedizin
Des Weiteren ist es möglich, das Humanmedizinstudium in einem Modellstudiengang zu absolvieren. Modellstudiengänge sind im Studium der Humanmedizin eine „neuartige“ Variante des oben beschriebenen klassischen Regelstudienganges in Deutschland. Dabei gibt es kein einheitliches „Modell“ im Modellstudiengang, vielmehr unterscheidet es sich von Universität zu Universität. Im Artikel Regelstudiengang vs Modellstudiengang Medizin erklären wir die Unterschiede der beiden Studiengangformen des Medizinstudiums.
Ärztliche Prüfungen: Der Weg zur Approbation
Die ärztlichen Prüfungen, die in drei Abschnitten abgelegt werden, sind entscheidend für den Weg zur Approbation und damit zur Ausübung des Arztberufs.
Der 1. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (M1/Physikum)
Nach dem Abschluss des vorklinischen Teils legen die Studierenden den 1. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung ab, auch bekannt als Physikum. Diese Prüfung besteht aus einem schriftlichen und einem mündlich-praktischen Teil, in dem das erworbene Grundwissen geprüft wird.
Der 2. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (M2)
Der 2. Abschnitt erfolgt am Ende des klinischen Teils und umfasst eine schriftliche Prüfung, die unter anderem vom Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP) erstellt wird.
Der 3. Abschnitt der Ärztlichen Prüfung (M3)
Nach dem Praktischen Jahr folgt der 3. Abschnitt, eine mündlich-praktische Prüfung, die von den Universitäten selbst organisiert wird. Nach erfolgreichem Abschluss dieser Prüfung könnten die Studierenden ihre Approbation beantragen und im Anschluss als Ärzte in Deutschland tätig werden.
Karrierewege nach dem Medizinstudium
Nach dem Abschluss des Medizinstudiums eröffnen sich vielfältige Karriereoptionen. Die meisten Absolventen entscheiden sich für eine Facharztweiterbildung, die je nach gewähltem Fachgebiet oftmals weitere fünf bis sechs Jahre in Anspruch nimmt. Beliebte Fachrichtungen sind unter anderem Allgemeinmedizin, Chirurgie und Innere Medizin.
Für diejenigen, die sich wissenschaftlich weiterentwickeln möchten, bietet sich die Möglichkeit einer Promotion. Der Doktortitel ist in Deutschland nicht zwingend erforderlich, wird jedoch von vielen Ärzten angestrebt.
Zudem bestehen vielfältige Möglichkeiten, im Ausland zu arbeiten, da die deutsche ärztliche Ausbildung international hoch angesehen ist.
Statistiken und Trends im Medizinstudium
Die Nachfrage nach Studienplätzen im Bereich Humanmedizin bleibt in Deutschland seit Jahren hoch. Jährlich bewerben sich über 40.000 Studieninteressierte auf einen der begehrten Medizinstudienplätze, was die Notwendigkeit des Numerus Clausus (NC) unterstreicht. Trotz des hohen Bewerbungsdrucks werden jährlich nur etwa 9.000 bis 10.000 neue Studienplätze vergeben, was zu einem intensiven Auswahlprozess führt.
Entwicklung der Studienanfängerzahlen
Die Anzahl der Medizinstudierenden ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. So waren im Wintersemester 2021/2022 mehr als 105.000 Studierende in Deutschland im Bereich Humanmedizin eingeschrieben. Im Vergleich dazu lag die Zahl der Medizinstudierenden im Jahr 2007 bei etwa 78.500. Diese stetige Zunahme zeigt, dass sowohl die Studienkapazitäten als auch das Interesse am Studium der Medizin kontinuierlich wachsen.
Frauenanteil im Medizinstudium
Eine bemerkenswerte Entwicklung zeigt sich beim Geschlechterverhältnis: Der Anteil der Frauen im Medizinstudium ist in den letzten Jahrzehnten signifikant gestiegen. Mittlerweile liegt der Frauenanteil bei rund 63 %, was auf den verstärkten Zugang von Frauen zu akademischen und medizinischen Berufen hinweist. Diese Entwicklung spiegelt sich auch in der Anzahl der Absolventinnen wider, die in den letzten Jahren kontinuierlich zugenommen hat.
Erfolgsquoten und Studiendauer
Das Medizinstudium erfordert eine hohe Leistungsbereitschaft und Durchhaltevermögen. Die durchschnittliche Studiendauer beträgt 12 Semester und 3 Monate, die so genannte Regelstudienzeit. Ein Großteil der Studierenden schließt das Studium in dieser Zeit ab, wobei das Praktische Jahr (PJ) eine entscheidende Rolle spielt. In den letzten Jahren lag die Erfolgsquote, also der Anteil der Studierenden, die die ärztlichen Prüfungen erfolgreich ablegen und die Approbation erhalten, konstant bei über 90 %.
Studienplatzklagen und Kapazitätsverfahren
Angesichts der hohen Nachfrage nach Studienplätzen greifen viele Bewerber auf Studienplatzklagen zurück, um einen Studienplatz einzuklagen. Diese Verfahren richten sich oft gegen die Kapazitätsberechnungen der Hochschulen, wobei vermutet wird, dass Hochschulen mehr Studierende aufnehmen könnten als angegeben. Trotz der hohen Kosten und der geringen Erfolgsaussichten versuchen jedes Jahr zahlreiche Bewerber diesen Weg.
Tendenzen zu alternativen Zulassungsverfahren
Neben der Kritik am Numerus Clausus wird zunehmend über alternative Zulassungsverfahren diskutiert. Der TMS und weitere fachspezifische Tests gewinnen an Bedeutung und werden als faire Alternativen zur bloßen Abiturnote betrachtet. Besonders in der Zusätzlichen Eignungsquote (ZEQ) und im Auswahlverfahren der Hochschulen (AdH) spielen diese Tests eine zunehmend größere Rolle.
Besonderheiten und Reformen im Medizinstudium
Das Medizinstudium in Deutschland befindet sich kontinuierlich im Wandel. Der Masterplan Medizinstudium 2020 ist eine zentrale Reform, die darauf abzielt, das Studium praxisorientierter und moderner zu gestalten. Dazu gehören eine stärkere Verzahnung von theoretischen und praktischen Inhalten sowie eine Neustrukturierung der Prüfungen.
Eine oft diskutierte Kritik betrifft den Numerus Clausus (NC), der für viele Studieninteressierte eine Hürde darstellt. Reformen, die den Zugang zum Studium durch alternative Eignungsverfahren erweitern sollen, sind in der Diskussion.